35. Tag

29. Juni 1998 Ivalo - Petkula 135 Km

Die Regenwolken waren weitergezogen. Strahlender Sonnenschein begrüßte mich am frühen Morgen. Froh gelaunt bestieg ich mein Rad und trat mal wieder eine Tagesetappe an. Je länger ich fuhr um so belebter wurde auch die Straße. In gewissen Abständen gab es kleine Kioske, wo man sich durch einen kleinen Imbiß stärken konnte. Die Eintönigkeit die ich in den letzten Tagen ertragen mußte schien vorerst vorüber. Um die Mittagszeit erreichte ich den Ort Vuotso. Kurz vor dem Ort war eine Baustelle von circa 2 Km Länge. Der Verkehr wurde durch eine Ampel geregelt. Da ist an sich nichts gegen einzuwenden. Doch die Radfahrer hat man nicht berücksichtigt. Der Gegenverkehr hatte schon längst wieder grün während ich mich immer noch, bedingt durch mein langsameres Tempo, auf der Fahrbahn befand. Es wurde manches mal sehr kritisch, wenn mir einer von den enorm großen Holztransportern auf der verengten Fahrbahn entgegen kam. In solcher Situation können 2 Km sehr lang werden. In Vuotso angekommen stand ich vor der Entscheidung für diesen Tag Pause zu machen oder aber bis zum nächsten Campingplatz zu fahren, was noch etwa 90 Km bedeuten würden. Es wäre eine Gesamtstrecke von 165 Km geworden. Da es noch früh am Tag war entschloß ich weiter zu fahren. Nach 135 Km gefahrenen Km sah ich ein Hinweisschild zu einem Campingplatz 4 Km abseits der Straße. Kurzerhand entschloß ich mich diesen aufzusuchen. Was mich hier erwartete war der reinste Horror. Obwohl oftmals vorgewarnt, wurde ich doch Opfer eines Mückenüberfalls wie ich mir es nie vorgestellt hatte. Schon beim erledigen der Anmeldeformalitäten schlug ich wild um mich, um diese Plagegeister abzuwehren. Doch was danach kam ist unbeschreiblich. Auf meinen Stellplatz angekommen wurde ich regelrecht von ganzen Heerscharen von Mücken überfallen. Da es das erstemal während meiner gesamten Tour war traf es mich völlig unvorbereitet. Der Mückenschleier so wie die Flasche Autan waren natürlich noch ganz unten in der Packtasche verstaut. Es blieb nur noch das Regenzeug. Bei praller und stechender Sonne zog ich die immer griffbereite Regenkleidung über, um mich so vor diesen Viechern zu schützen. Es muß schon sehr lustig ausgesehen haben wie ich wild um mich schlagend und schweißtriefend das Zelt aufbaute. Endlich sitze ich dann im Zelt und wage mich nicht mehr raus. Wie ich da so liege sehe ich wie die Mücken verzweifelt versuchen durch das kleine Loch am Ende des Reißverschlusses ins Zeltinnere zu kommen. Es war wie in einem Horrorfilm. Ich suchte jetzt erst einmal in aller Ruhe meinen Mückenschleier sowie die Autanflasche um in Zukunft besser vorbereitet zu sein. Draußen hörte ich das Gesumme von unzähligen Mücken. Sie flogen ständig gegen das Zelt und verursachten dadurch ein Geräusch, als wenn feiner Nieselregen auf das Zeltdach fallen würde. Ungewaschen legte ich mich hin und schlief auch bald ein.

 

36. Tag

30. Juni 1998 Petkula - Rovaniemi 170 Km

Die erste Mückenattacke war also überstanden. Die zweite ließ nicht lange auf sich warten. Beim Frühstück fing es wieder an. Ich hatte gerade meine Frühstückssachen ausgepackt da kamen sie wieder in nicht geringerer Stärke als am Vorabend. Schnell setzte ich meinen Hut mit dem Mückenschleier, ähnlich einem Imkerhut, auf, und schmierte mein Brot mit einem Weichkäse. Durch die ständigen Abwehrbewegungen hatte ich mittlerweile den Hut mit dem Schleier vergessen. Ich bemerkte ihn erst wieder wie es schon zu spät war. Ich biß also herzhaft in das mit Weichkäse beschmierte Brot und somit auch in den Schleier. Das Ergebnis war, der Käse den ich eigentlich essen wollte, fand sich im Schleier wieder. Nun hatte ich aber die Nase voll. Schnell packte ich meine Sachen und verließ dieses ungastliche Gebiet. Während der Fahrt greifen die Mücken nicht an, und fahren muß man. Denn wer anhält wird sofort von der Bande angegriffen. Dadurch, daß ich mein Frühstück unfreiwillig abbrechen mußte, hatte ich natürlich Hunger. Beim ersten Kiosk, die wieder häufiger vorkamen, hielt ich an und gönnte mir ein ausgiebiges Essen mit ein paar Tassen Kaffee. Wie ich so auf dem Stuhl saß fing mein linker Fuß ungewöhnlich stark zu jucken an. Ich zog den Strumpf aus um nach der Ursache zu sehen. Er war total zerstochen und stark angeschwollen. Hatten die Mücken es also doch noch geschafft. Wieder mußte die Wundsalbe ihren Dienst tun. Nach der Fußbehandlung ging es weiter. Ich stellte mal wieder fest, daß ein gutes und kräftiges Frühstück mit heißem, in Finnland besonders starkem, Kaffee dem Körper besonders gut tut. Bei immer noch gutem Wetter ging es weiter Richtung Rovaniemi. Je näher ich mich dieser Stadt näherte, um so belebter wurden die Straßen. Für mich zunächst völlig ungewohnt. Kam ich doch gerade aus der Einöde. Kurz vor Rovaniemi überquerte ich zum zweiten mal den Polarkreis. Dieses mal in südlicher Richtung. Im Gegensatz zur ersten Überquerung in Schweden war hier richtig was los. Nicht nur das Wetter war unvergleichlich besser. Die Sonne brannte schon den ganzen Tag vom Himmel. Eine helle Lichterkette, die über die Straße gespannt war kündigte es schon an. Es gab viele Einkaufsmöglichkeiten sowie Hotels. Auf den Parkplätzen standen viele Busse deren Insassen durch die Läden stöberten. Es waren auch viele Deutsche darunter. In Rovaniemi angekommen suche ich zunächst erst einmal den Campingplatz auf. Er liegt 4 Km außerhalb der Stadt. Rovaniemi ist die letzte Bastion der Zivilisation. Hier beginnt die einsame Wildnis Finnlands. Die Stadt ist gewissermaßen das Tor nach Lappland. Hier rüstet sich aus, wer den Norden erobern will. Vom Luxushotel bis zur Imbißbude, vom Reisebüro zum Supermarkt gibt es hier alles, internationale Großbanken, Sportgeschäfte, einen Bahnhof so wie einen Flughafen. Drei Brücken über den breiten Strom Kemijoki verbinden die Stadt mit dem Umland.