33. Tag

27. Juni 1998 Kirkenes - Sevettijärvie 92 Km

Kurz vor Mittag legt die Fähre in Kirkenes an. Der Ort ist nicht besonders groß. Ich kaufte mir von meinem letzten norwegischem Geld ein paar Lebensmittel und fuhr dann weiter auf der E6 Richtung Finnland. Auf der E6 gibt es recht heftige Berge, so daß ich mehrmals aus dem Sattel mußte um schiebend weiter zu kommen. Und das bei einer beachtlichen Hitze um die Mittagszeit. Die Sonne brannte viele Stunden vom Himmel. Nach 40 Km verließ ich die E6 und bog bei Neiden auf die 885 die mich nach Finnland führte. Die Grenzüberschreitung verlief auch hier wie bei den anderen Grenzen. Der Posten nahm keinerlei Notiz von mir. Die Gegend wurde zunehmend ebener und einsamer. Hier gibt es Natur pur. Kleine Bäume, herrliche Seen, rauschende Bäche und viele Tümpel. Ein ideales Gebiet für die Mückenzucht, zu denen ich noch komme. Der moorige Boden wird von Gräben und Bächen durchzogen, überall wachsen Moorpflanzen, ganze Teppiche aus weißem Wollgras beispielsweise. Dazu kleine Dörfer, höchstens ein paar versteckte Holzhäuschen in weitem Abstand. Ein Blick auf mein Handy sagt mir, daß ich keine Verbindung mehr habe. Und das in Finnland, wo mehr als 44% der Bevölkerung ein Handy besitzt. Gegen Abend erreiche ich den Ort Sevettijärvie. Nach dem Friedhof zu urteilen an dem ich auf dem Weg zum Campingplatz vorbei komme muß es ein größerer Ort sein. Viele Gräber sind mit dem russisch orthodoxen Kreuz versehen. Hier merkt man schon noch den russischen Einfluß. Vom Ort sehe ich so gut wie gar nichts. Die Häuser lagen wohl alle verstreut im Wald, wie die vielen Briefkästen am Straßenrand vermuten ließen. In einem kleinen Kiosk, dem einzigen weit und breit kaufe ich mir noch etwas zum Abendbrot. Hier sah ich etwas was ich bisher nur vom hören sagen wußte. Der am Laden angrenzende Raum war voll mit betrunkenen Männern und Frauen, einschließlich Verkäuferin. Ich war froh wie ich alles erledigt hatte und diesen Ort verlassen konnte. Auf dem Campingplatz verbrachte ich eine ruhige Nacht, die mir nach der Schiffsreise mit wenig Schlaf sehr gefehlt hat. Schließlich bin ich seit Mittag immerhin noch 92 Km gefahren. Außer mir war kein weiterer Gast auf dem Platz. So war ich ganz allein mitten im Wald und das genau neben dem Friedhof. Hätte ich mir nicht schon beim ersten Finnlandbesuch finnisches Geld besorgt, was ich ja nur gemacht habe um meine Scheckkarte auszuprobieren, sähe es jetzt sehr schlecht aus. Die erste Möglichkeit an Geld zu kommen wäre Inari, etwa 200 Km vom in Norwegen gelegenen Kirkenes entfernt, gewesen. Ich hätte die gesamte Strecke ohne gültiges Geld in der Tasche bewältigen müssen. Bei meiner nächsten Tour wird es sicherlich schon den Euro geben. Dann hat sich das Problem auch gelöst. 

 

34. Tag

28. Juni 1998 Sevettijärvi - Ivalo 156 Km

Früh um sieben saß ich schon wieder im Sattel um bei herrlichem Wetter mit Rückenwind durch eine extrem einsame Landschaft zu fahren. Mit dem Rückenwind ist es so eine Sache. Wie ich noch in nördliche Richtung fuhr, hatte ich bis auf zwei Ausnahmen seit Karesuando an der finnischen Grenze, nur Rückenwind. Nun fahre ich schon zwei Tage in die entgegengesetzte Richtung und habe auch wieder Rückenwind. Ich weiß aus Berichten, daß viele genau das Gegenteil erlebt haben. Heute ist Sonntag. Seit zwei Stunden fahre ich durch eine gottverlassene Gegend, bis ich plötzlich von einem mir entgegenkommenden Auto regelrecht aufgeschreckt werde. Danach wieder Kilometer weit keine Unterbrechung dieser Art. Mit der Zeit nähere ich mich Inarie. In dem Ort Kaamanen wollte ich zu Mittag essen. Doch der an der Straße liegende Kiosk, hier Kioski genannt, hatte geschlossen. In den Ort selbst wollte ich nicht fahren. Das wäre ein Umweg gewesen. So fuhr ich denn weiter, bis ich zu einem Souveniershop kam. Der Shop war ein original Lappenzelt. Im Vorbeifahren sah ich gerade noch, daß hier auch Kaffee angeboten wurde. Kurz entschlossen hielt ich an und mußte feststellen es gab nicht nur Kaffee. Am offenen Feuer stand eine echte Lappin und backte frische Pfannkuchen. Gerade das richtige für mich. Ich bestellte gleich zwei von den sehr fettigen aber wohlschmeckenden Dingern. Wie ich der Frau durch Fingerzeichen klarmachte, daß mir die Kuchen sehr gut schmeckten war sie sehr erfreut und lachte mich mit ihrem zahnlosen Mund an. So gestärkt ging es weiter nach Inari. In Inari zog ich mir noch schnell das nötige Geld um zum Abend etwas einzukaufen. Das Einkaufen an einem Sonntag ist hier in Skandinavien kein Problem. Die Geschäfte haben bis spät in den Abend geöffnet. Nun konnte es bis zu meinem Tagesziel Ivalo weitergehen, wo ich am späten Nachmittag eintraf und mich auf dem Campingplatz einquartierte. Das schöne Wetter scheint vorbei zu gehen. Eine dunkle Wolkenfront zieht auf. Wann und wie es weitergeht weiß ich noch nicht.