29. Tag

23. Juni 1998 Kautokeino - Alta 137 Km

Der Ort Kautokeino ist ein Knotenpunkt in einem extrem einsamen Landstrich. Es existiert lediglich die Straße Nr. 93 von Finnland nach Alta, mein nächstes Tagesziel. An der Straße gibt es nur vereinzelt ein Paar Häuser, die weit verstreut liegen. Bevor ich weiterfuhr wechselte ich noch schnell mein übriges schwedische Geld, trank einen Kaffee um dann wieder einmal bei ausgesprochen herrlichem Wetter mein heutiges Tagesziel, die Stadt Alta anzusteuern. Es sollte landschaftlich die bisher schönste Strecke werden. Ein großer Fluß, der Alta-Älv und später ein Nebenfluß sind vorerst die einzigen Begleiter der Straße. Mal näher, mal etwas entfernter, selten auf Flußhöhe zieht sich die Straße über anliegende Berge, durch eine wunderschöne, abwechslungsreiche Landschaft. Es ging durch Gebiete, wo die Vegetation vom Sommer noch nichts bemerkt zu haben schien. Die kümmerlichen Birken hatten noch nicht einmal ausgeschlagen. Auf dem großen Fluß war stellenweise noch eine zusammenhängende Eisfläche. Die rechte Straßenseite wurde teilweise von steilen schroffen Felswänden begrenzt, aus denen das Wasser auf die Fahrbahn lief. Die Sonne war manches mal so grell, daß ich vieles nicht mit meiner kleinen Kamera im Bild festhalten konnte. Es gab aber auch Abschnitte wo die Schluchten so tief und eng waren, daß sie zum Teil nicht zu sehen war. Hier war wegen der Enge der Straße ein Halten leider nicht angebracht. Dann ein Anblick den ich wohl nie vergessen werde. Es war das Panorama von der Stadt Alta. Umgeben von schneebedeckten Bergen, dazu der stahlblaue Himmel. Einmalig. Das muß man mit eigenen Augen gesehen haben. In Alta angekommen erkundige ich mich erst einmal nach der Jugendherberge, die ich dann auch schnell fand. Hier wieder das Problem wie bei allen Jugendherbergen. Sie öffnen erst um 17.00. Man muß also erst einmal warten, wenn man zu früh ankommt. Da kann es schon mal passieren, daß man einige Stunden verstreichen läßt, um dann zu erfahren das kein Platz mehr vorhanden ist. Aber auch hier hatte ich wieder Glück. Ich bekam ein Einzelzimmer mit guter Ausstattung. Auf der gesamten Strecke von 130 Km gab es keine Möglichkeit eine warme Mahlzeit zu sich zu nehmen. Entsprechend war mein Hunger. Im nahegelegenen Supermarkt kaufte ich mir eine doppelte Portion Erbsensuppe mit viel Fleisch die ich mir in der Küche lecker zubereitete. Leider war ich, wie so oft, nach einer anstrengenden Fahrt zu müde um mir den herrlichen Ort Alta etwas näher anzusehen. Die bisher zurückgelegte Strecke von 2800 Km gehen nicht spurlos an einem vorüber. Mit dem Wissen, morgen eine besonders schwere Strecke vor mir zu haben schlief ich schnell ein.

 

30. Tag

24. Juni 1998 Alta - Olderfjord 112 Km

Diese vorletzte Etappe zum Nordkap sollte physisch wie psychisch die Anspruchsvollste werden. Frühmorgens fuhr ich bei gutem Wetter los. Vor mir lagen die Berge die ich überqueren mußte, links von mir der Alta-Fjord. Alles ein herrlicher Anblick. Doch mein Blick schweifte immer wieder zu den Bergen die vor mir lagen. Steil ging es bergauf. Ich mußte mich regelrecht gegen mein Fahrrad stemmen um die brutale Steigung zu schaffen. An Fahren war gar nicht zu denken. Hier sollten sich meine nicht ganz billigen Trekkingschuhe bewähren. Eine Serpentine löste die andere ab. Es wollte kein Ende nehmen. Was haben bloß die Leute gedacht, die mich mit ihren Motorfahrzeugen spielend überholten. Meine Arme begannen allmählich zu schmerzen. Hatte man ein Höhenzug geschafft, ging es auf freier Pläne weiter bis zum nächsten Anstieg. Kein Busch, kein Strauch der auch nur ein bißchen Schutz hätte bieten können. Nur zum Teil noch schneebedeckter, kahler Fels, dazu eiskalter Wind von vorn. Meine Hände cremte ich sicherheitshalber dick mit einer Hautcreme ein. Darüber zog ich die Handschuhe die ich mir zwischenzeitlich gekauft habe. Nicht einmal das Fahrrad konnte ich abstellen, der Wind hätte es umgeworfen. Die Leitpfähle waren auch nicht geeignet um ein schwer bepacktes Fahrrad zu halten. Wo keine steile Felswand die Straße begrenzte war entweder ein tiefer Graben für die Schneemassen oder aber ein tiefer Abgrund.

Den Gedanken was wäre bei einer Panne zu tun mochte ich gar nicht zu Ende denken. Ein positives Erlebnis möchte ich aber doch noch erwähnen. Ich schob mein Fahrrad auf einem Streckenabschnitt, wo es normalerweise nicht nötig gewesen wäre, doch ich wollte mir einfach nur die Beine vertreten, als ich von einem norwegischen Lieferwagen überholt wurde. Der Fahrer hielt an und erkundigte sich in englischer Sprache ob ich Hilfe benötigte. Ich verneinte dankend worauf er weiterfuhr. So ganz allein war ich also doch nicht. Im Falle eines Falles hätte ich Hilfe gehabt. Ich sah diesen Vorfall sehr positiv für den weiteren Verlauf. Weiter ging es, bis nach 85 Km Strapazen der Ort Skaidi auftauchte, wo ich völlig durchgefroren endlich einen heißen Kaffee und ein Sandwich genießen konnte. Dann ging es weiter. Gleich hinter dem Ort begann eine Steigung, die alles bisher dagewesene übertraf. Aber auch diese wurde mit zusammengebissenen Zähnen bewältigt. Der Rest der Etappe bestand aus einer welligen Hochebene die in einer steilen Abfahrt bis Olderfjord endete. Ich erreichte völlig erschöpft und leicht demoralisiert den Campingplatz. Doch es sollte noch nicht alles gewesen sein. Ich freute mich schon auf meine heiße Erbsensuppe die ich mir, nachdem alles andere erledigt war, kochen wollte. Es war eine Tütensuppe und die Zubereitung wurde leider in Norwegisch erläutert. Demnach mußte ich das Pulver in kaltes Wasser kippen und langsam aufkochen lassen. Ich machte es genau umgekehrt. Das Ergebnis war ein großer ungenießbarer Kloß, der aber auch gar nichts mit einer Erbsensuppe gemein hatte. Was blieb mir also übrig. Der kleine Kiosk hatte schon geschlossen. Knäckebrot mit Käse war wieder mal angesagt. Das alles nach den Strapazen. Todmüde legte ich mich auf meine Luftmatratze und schlief trotz des Hungers sofort ein.