25. Tag

19. Juni 1998 Gallivare - Vittange 110 Km
Das Wetter wurde im Laufe des Tages immer besser, so daß wir mit Unterstützung des Windes flott vorankamen. Anfangs war die Strecke zwar noch durch steile Anstiege geprägt, aber auch die wurden weniger und so kamen wir schon am Nachmittag in Vittange an. Auf dem Campingplatz herrschte reges Treiben. Es wurde nämlich das Sonnenwendfest gefeiert. Jung und alt war auf den Beinen. Ich glaube dieser Tag ist einer der wenigen im Jahr wo alle Geschäfte und öffentliche Einrichtungen geschlossen sind. Lediglich die Tankstelle mit dem integrierten Supermarkt hatte geöffnet. Trotz der allgemeinen Festagsstimmung verlief die Nacht ruhig. Als besonderes Ereignis haben wir zum erstenmal einen Wegweiser zum Nordkap gesehen. Zum Nordkap 606 Km stand drauf. Das Ziel kommt näher.
26. Tag
20. Juni 1998 Vittange - Karesuando 105 Km
Die letzte Etappe in Schweden lag vor uns. Es wurde eine Strecke in völliger Einsamkeit keine nennenswerten Ortschaften. Hier und da mal ein paar Häuser. Viele waren auch schon verlassen und standen zum Verkauf an. Hier stellte sich mir immer die gleiche Frage: Wovon leben die Menschen hier eigentlich. Was hat sie bewogen gerade hier zu wohnen. Wie kommt die Jugend damit klar. Alles Fragen auf die ich keine Antwort bekam. Meiner Meinung nach könnte dieses noch einmal mittelfristig ein großes Problem für die Regierung bzw. den Staat werden. Um die Mittagszeit kamen wir zu einem Restaurant. Obwohl viele Busse und Autos davor standen war es geschlossen. Was war zu tun. Wir hatten außer ein paar Kleinigkeiten noch nichts vernünftiges gegessen. Die Entscheidung wurde uns jedoch schnell abgenommen. Eine Frau, offenbar die Chefin, erklärte uns, das Restaurant sei heute zwar für die Öffentlichkeit geschlossen aber wenn wir uns ruhig verhalten würden könnte sie uns ein paar Brote und Kaffee servieren. Etwas verwundert kehrten wir ein und genossen die Brote sowie den heißen Kaffe, der besonders gut tat. War doch der Körper wieder durch den kalten Gegenwind ziemlich ausgekühlt. Bald erkannten wir auch den Grund der Bitte um ruhiges Verhalten. Im Saal nebenan fand offenbar ein Gottesdienst anläßlich der Sonnenwende statt. Hier waren alle Einwohner aus der weitläufigen Gegend zusammen gekommen um diesen Tag in Form eines Gottesdienstes zu feiern. Nach dieser angenehmen Pause fuhren wir weiter Richtung Karesuando wo wir gegen 16.00 eintrafen. Karesuando liegt direkt an der finnischen Grenze. Auch hier stand alles im Zeichen der Sonnenwendfeier. Alle Blockhäuser waren vermietet. Viele Menschen hatten sich hier auf dem Platz eingefunden. Nicht wenige waren in bunter Landestracht gekleidet. Wir ahnten schon, ein großes Fest stand bevor. Da es ein Wochenende war und ich für den morgigen Tag noch kein finnisches Geld hatte, beschloß ich erst am Montag weiterzufahren, um dann die finanzielle Situation in aller Ruhe zu klären. Ich war ja einschlägig vorgewarnt. Jürgen aber wollte unbedingt am nächsten Tag weiter. Ab jetzt fuhr ich also wieder allein. An dieser Stelle möchte ich die immer wieder gestellte Frage beantworten: Warum fährst du allein? Wer eine derart lange und strapaziöse Tour überstehen will, muß häufig an seine persönliche Leistungsgrenze gehen. Diese ist individuell sehr verschieden. Der eine schläft gerne lange, der andere ist Frühaufsteher, und jede Pause bedeutet, das der andere warten muß. Auch ist das Tempo besonders an Bergen unterschiedlich. Das Hauptproblem aber sind die vielen täglichen Entscheidungen. Soll Ich bei Regen weiterfahren? Soll man an einer schlecht beschilderten Straße rechts oder links abbiegen? Reichen 100Km am Tag oder legt man noch mehr dazu? Ist um 19.00 Uhr Schluß – oder fährt man, bis die Nacht anbricht? Diese ständigen Streßsituationen kann man durch Euphorie vielleicht eine oder zwei Wochen überwinden, aber wie in meinem Falle 8 Wochen, führen sie zu einem ständigen Dauerstreß. Der eine setzt sich durch, der andere zweifelt, ob die Entscheidung richtig war - und so lähmen ständige Zweifel die Leistung. Wer sich aber alleine entscheidet, der muß auch die Folgen tragen. Da gibt es keine Entschuldigung. Wegen dieser angeführten Argumente werde ich auch meine nächste Tour wieder allein durchführen.